Der komische Soldat

Als Einziger überlebte Robert Henline einen Bombenanschlag im Irak. Jetzt steht er als Komiker auf der Bühne - und führt so seinen Krieg weiter.
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Aus dem Dunkel läuft Robert Henline mit schwingenden Armen ins Scheinwerferlicht. An den Wänden hängen Plastikbrüste und Hirschgeweihe, Männer zocken an Automaten, Paare trinken Bier an Stehtischen. Die Gespräche verstummen, als Bobby zum Mikrofon greift. »Ich habe für diesen Blowjob gebetet!«, ruft er. Es ist Mittwochabend, kurz vor zehn, im Bracken Saloon in San Antonio, Texas. Der erste Witz ist der Eisbrecher, wichtig für jeden Komiker. Nur dass das Publikum hier über den Komiker lachen soll, nicht mit ihm.

Mit dem »Blow« meint Bobby die Explosion. Er holt tief Luft: »Als ich nach vier Wochen aus dem Koma aufgewacht bin, fragte mich der Arzt, ob ich meine Frau sehen will. ›Habe ich nicht genug durchgemacht?‹, fragte ich.« Wenn Bobby lacht, schiebt sich sein linker Mundwinkel leicht nach oben, der Rest seines Gesichts bewegt sich nicht. »Der Anschlag ist jetzt sieben Jahre und 46 Hautverpflanzungen her. Die Ärzte haben einen riesigen Flickenteppich aus mir genäht. Ich kann meinen Hintern nicht von meinem Ellbogen unterscheiden«, sagt er und zeigt mit der verbleibenden Hand auf sein Gesicht. Ein Mann im Publikum pfeift und feuert ihn an: »Los, Bobby. Los!«

»Meine Bauchdecke haben sie auf meinen Kopf genäht. Wenn ich zu viel esse, bekomme ich Kopfschmerzen. Meinen Hintern haben meine Ärzte unter mein rechtes Auge transplantiert. Ich bin ein Arschgesicht!« Eine Frau lacht, dann hält sie sich die Hand vor den Mund, als hätte sie gemerkt, dass man über so etwas eigentlich nicht lachen darf. Die anderen Zuschauer klatschen und jubeln.

Mit Unterbrechungen hat Bobby dreizehn Jahre gedient, er war viermal im Irak. Was davon übrig bleibt, sind unzählige Orden und eine zehn Kilogramm schwere Krankenakte.

Als einer von etwa einer Million Soldaten diente der heute 42-jährige Robert Henline, den alle Bobby nennen, in der US-Army im Irakkrieg. Als einer von 31 000 Soldaten, die schwer verwundet wurden, kehrte er zurück. Mit Unterbrechungen hat Bobby dreizehn Jahre gedient, er war viermal im Irak. Was davon übrig bleibt, sind unzählige Orden und eine zehn Kilogramm schwere Krankenakte.

Es war der Samstag vor Ostern, 7. April 2007, als Bobby zu dem wurde, was er auf der Bühne »Freddy-Krueger-Gesicht« nennt. 23 Tage vorher hatte er seine Ehefrau Connie und die drei Kinder Brittany, Skylar und McKenzie auf einem der größten Stützpunkte der USArmy, Fort Bragg in North Carolina, an sich gedrückt und gesagt: »Hoffentlich komme ich nicht früher zurück, als euch lieb ist.« Als die Bombe Bobby aus dem gepanzerten Geländewagen schleuderte, hatte er noch den Duft von Kaffee in der Nase. »Alles andere ist einfach weg«, sagt Bobby heute. Er hat lange an diesem Tag herumgepuzzelt, mithilfe von Kollegen, Fotos und Berichten der Einsatzkräfte, um zu begreifen, warum sein Gesicht so aussieht.
Der Konvoi war im Norden Bagdads unterwegs. Bobbys Fahrzeug fuhr ganz vorn. Rechts und links Sand und zerfallende Mauern. Bobby saß auf dem Beifahrersitz. Das war sein Glück. Die anderen vier Soldaten in seinem Wagen starben. Die Bombe riss die Teerdecke auf, warf das Auto und Gesteinsbrocken durch die Luft, zerfetzte Körper und Autotanks. Bobby hing über der Tür, seine Uniform brannte, dann auch sein Körper. Als ihn die Retter fanden, war ein Drittel seiner Haut verbrannt, seine Kopfhaut und sein Gesicht sogar zu neunzig Prozent.
Ein Hubschrauber flog Bobby zum nächstgelegenen Stützpunkt Balad, von dort transportierte ihn eine Lazarettmaschine nach Rheinland- Pfalz, in das Regional Medical Center in Landstuhl. Das ist die größte amerikanische Klinik außerhalb der USA. Alle Verletzten aus dem Irak und Afghanistan landen zuerst dort. »Ich hatte keine Schmerzen. Ich habe nur dieses Bild in meinem Kopf, auf einem gigantischen Eisberg zu liegen und nichts zu spüren«, sagt Bobby. Seine Ehefrau Connie kam von der Arbeit nach Hause und hörte den Anrufbeantworter ab: »Hier spricht das Verteidigungsministerium. Bitte rufen Sie uns an.« Erst dachte sie, sie hätte Papiere nicht rechtzeitig eingereicht. Dann wusste sie, es ging um Bobby. Wenn er die Nacht überlebe, würden sie ihn in das Brooke Army Medical Center in San Antonio fliegen, sagten sie Connie. An dem Abend vergaß sie, den Kindern das Abendessen zu kochen, sie rief fast stündlich beim Militär an und fragte nach Neuigkeiten. Sie wischte die Ablagen der Küche, immer wieder. Es sollte ordentlich sein, wenn ein Abgesandter kommt, um die Todesnachricht zu überbringen.

Bobby überlebte die Nacht. Einen Tag nach seiner Ankunft in San Antonio saß Connie im Flugzeug zu ihm. Am 12. April, nach zwei jeweils achtstündigen Operationen, durfte sie zum ersten Mal in Bobbys Zimmer. Die Ärzte hatten ihn in ein künstliches Koma versetzt und sagten, es sehe nicht gut aus. Er bekam unter anderem das Medikament Propofol, das zwei Jahre später in einer Überdosis Michael Jackson tötete. Die Schwestern erklärten Connie, wenn sie zu Bobby gehe, müsse sie sich darauf konzentrieren, gut gelaunt zu sein. »Niemand wusste, was er mitbekommen würde und was nicht«, sagt Connie. »In seinem Zimmer roch es nach verbranntem Fleisch. Er hing an unzähligen Geräten. Monitore piepten. Es war schrecklich.« Sechs Monate besuchte sie Bobby jeden Tag. Connie fütterte ihn mit Steak, das sie in winzige Stücke geschnitten hatte, weil er seinen Mund kaum öffnen konnte. Sie besorgte ihm Smoothies und redete mit ihm. Sie schlief in vielen Nächten nur drei Stunden. An manchen Tagen ging es Bobby besser, an anderen schlechter. Nach sechs Monaten klafften noch Wunden auf seinem Kopf, aber die Ärzte entschieden, ihn zu entlassen.
Connie zog mit den drei Kindern von North Carolina nach San Antonio, damit sie Bobby jeden Tag zur ambulanten Behandlung ins Krankenhaus fahren konnte. Im neuen Zuhause wechselte sie bis zu sechs Stunden täglich seine Verbände, schlief auf einer Luftmatratze neben seinem Bett und weckte ihn stündlich, um ihm Augentropfen zu verabreichen. »Ich wollte meinen Ehemann wiederhaben, deshalb habe ich alles getan, damit er schnell selbstständig wird«, sagt sie. Es dauerte zwei Jahre und unzählige Operationen und Physiotherapiestunden, bis Bobby wieder gehen, Gegenstände greifen und Auto fahren konnte. In dieser Zeit wandelte Connie sich von der Ehefrau zu einer Krankenschwester, von der Liebenden zur Kümmernden.

Bobby wollte nie Mitleid, das ist für Schwache. Er wollte stark sein. Also begann er, Witze über sich zu machen. Besonders seine Physiotherapeutin Susy hatte viel Spaß mit Bobby. Kurz vor seiner letzten Behandlung nahm sie ihm das Versprechen ab, dass er sich als Komiker auf der Bühne ausprobieren würde.
Er wählte für seinen ersten Versuch Los Angeles, da er in Kalifornien geboren wurde. Nach einer Operation an seinem rechten Auge im UCLA Medical Center im August 2009 stieg er im Comedy Store zum ersten Mal auf die Bühne. »Das war eine Katastrophe. Niemand hat verstanden, was ich da mache, und niemand hat gelacht«, sagt Bobby. Er gewöhnte sich an, Gags auf seinem iPhone zu notieren und zu üben.
In den Monaten danach stellte er sich bei Open Mic Nights in San Antonio vor zwanzig bis fünfzig Leuten auf die Bühne. Bald wusste jeder in der Stadt von den Auftritten des verbrannten GIs. An seinem dritten »Life day« - wie er seinen zweiten Geburtstag, den Tag der Explosion, nennt - hatte er seinen ersten richtig großen Auftritt. Im Kasino des Hotel Tropicana in Las Vegas, hunderte Zuschauer, darunter Connie, und Bobby kam auf die Bühne und machte seinen Blowjob-Witz. Vor diesem roten Samtvorhang zu stehen und über seine Narben zu scherzen, sei sein größter Triumph, sagt er.
Als entstellter Soldat, der den entstellten Soldaten verhöhnt, macht Bobby ein nettes Geschäft. 10 000 Dollar waren es 2013. Nicht dass er das Geld bräuchte: Er erhält monatlich 6000 Dollar Veteranenrente. Aber seine Auftritte in Bars sind sowieso nicht bloß ein Geschäftsmodell. Sie sind die Tür, die aus dem Krieg in so etwas wie ein normales Leben führt. Allerdings steht diese Tür in beide Richtungen offen. Und beobachtet man Bobby genauer, wird man das Gefühl nicht los, dass er mit seinen Comedyauftritten eher zurück will als vor. Zurück in den Irak.
Wenn seine Kinder beim Abendessen von ihren Freunden in der Schule reden, wenn Connie, die als Immobilienmaklerin arbeitet, von Kunden erzählt, hält Bobby sich raus. Dann sitzt er vor seinen Nudeln und schweigt. Alles, worüber er sprechen will, ist die Army. Steht er auf der Bühne, wird er sogar dafür bezahlt - von Leuten, die glauben: Wer über sich und den Krieg solche Witze macht, muss es wirklich gut verkraftet haben, der muss mit sich im Reinen sein.

Es ist leichter geworden, ein amerikanischer Kriegsheld zu sein.

Natürlich wollen sie das auch glauben. Sie haben den Krieg nur auf Fernsehbildschirmen flimmern sehen, und sie haben Bobby nicht deswegen zu ihrem Helden gewählt, weil er verwundete Kameraden durchs Minenfeld geschleppt hätte. Bobby ist ein Held, weil er weitergeatmet hat, als alle um ihn herum starben. Es ist leichter geworden, ein amerikanischer Kriegsheld zu sein. Mit der Verehrung der Veteranen aus den Kriegen im Irak und in Afghanistan will das Land auch wiedergutmachen, wie es eine Generation von Vietnamveteranen behandelt hat.
Michelle Obama empfing die Henlines im Weißen Haus. Bei großen Benefizveranstaltungen ist Bobby Ehrengast, auf der »Stand up for our heroes«-Gala posierte Robin Williams mit ihm auf dem roten Teppich. Im Küchenregal steht ein Foto, das Connie und Bobby Arm in Arm mit Bruce Springsteen zeigt.

Mehr als 600 000 Amerikaner spendeten zusammen etwa fünfzig Millionen Dollar für das Rehabilitationszentrum »Center For The Intrepid«: das »Zentrum der Furchtlosen«. Es liegt gegenüber dem Krankenhaus in San Antonio.
Auf der vierten Etage hängt ein Foto von Bobby. Darauf posiert er als Sieger. Auf seinem schwarzen, ärmellosen T-Shirt steht: »I got your tickets to the gun show«. Sein Körper ist auf dem Foto noch aufgeschwemmt vom Ketamin, Morphium und Methadon, das er gegen die Schmerzen nahm. Das Foto soll anderen Veteranen Mut machen, die hier täglich üben, mit ihren Prothesen zu greifen. Einige der Patienten dieses Rehazentrums sind inzwischen berühmt, andere gestorben.
J.R. Martinez, dessen linke Gesichtshälfte bei einem Anschlag verbrannt worden war, gewann die US-Sendung »Dancing With The Stars«, schrieb ein Buch und tritt jetzt in Talkshows auf. Das Hochzeitsfoto des ehemaligen Soldaten Tyler Ziegel, der ebenfalls durch eine Explosion entstellt worden war, ging um die Welt. Bereits ein Jahr später wurde die Ehe geschieden. Ziegel verstarb 2012 nach einem Sturz, mit Alkohol und Heroin im Blut. Wenn die Ärzte des Rehazentrums spüren, dass ein Patient kurz davor ist, sich aufzugeben, rufen sie nun Bobby. Auch das ist auf den ersten Blick ein Zeichen von Bobbys Abstand zum Krieg und auf den zweiten ein Zeichen der Nähe. Heute redet Bobby mit dem Piloten Bryan. Bei einer Trainingsübung vor einem halben Jahr wurde ein Drittel von Bryans Körper verbrannt. »Endlich habe ich meinen Zwilling gefunden«, sagt Bobby zu ihm und lacht. »Die Pförtner werden uns nicht unterscheiden können. Zumindest von hinten.« Bryan sitzt im Rollstuhl und trägt ein olivfarbenes T-Shirt mit einem Schriftzug der Marines. »Du hast es geschafft. Ich bewundere dich dafür«, sagt Bryan.
Als ein Besucher den Deckel des Mülleimers zuknallt, zuckt Bobby zusammen. Seine Augen prüfen jede Ecke und jeden Ausgang. »Das sind diese kleinen posttraumatischen Momente. Du hörst ein Geräusch, das du nicht kennst, und bist auf einmal im Alarm-Modus, wie im Krieg«, sagt Bobby und konzentriert sich auf seine Atmung.

Zwei Küchenschränke in seinem Haus haben Dellen. Bobby schlug mit der Faust auf Türen ein. Ein anderes Mal ging er auf den Küchentisch los, weil seine Tochter nicht auf ihn gehört hat. "Ich muss lernen, mit meiner Wut umzugehen", sagt Bobby. In einem Zimmer hat er einen Boxsack aufgestellt. Wenn er merkt, dass es in ihm brodelt, schlägt er auf den Dummy ein. »Ich fühle das schon, wenn ich morgens aufwache«, sagt Bobby. Am Wochenende wollte Connie ihm helfen, das Auto zu waschen. Oft fällt es ihm schwer, Hilfe anzunehmen, denn alles muss für ihn nach dem gleichen Muster ablaufen. Die Routine der Armee fehlt ihm.
Deshalb ist Bobby vor sechs Monaten aus dem Haus der Familie ausgezogen. Er wohnt in einem Apartment auf der anderen Straßenseite. Morgens macht er die Lunchpakete für die drei Kinder, abends Spaghetti. »Connie und ich sind seit zwanzig Jahren verheiratet. Wir wollen uns nicht scheiden lassen, aber wir brauchen ein bisschen Abstand«, sagt Bobby.
Sein Sohn Skylar ist fünfzehn. Er will nach der Schule zum Militär. »Er will zu Ende bringen, was sein Vater begonnen hat. Er soll zu den Marines: Wenn ihm etwas passiert, kümmern die sich am besten um die Familien«, sagt Connie. Bobby möchte, dass Skylar zur Air Force geht. Laut Statistik werden dort die wenigsten Soldaten im Einsatz verwundet.
Im Frühjahr soll Bobbys rechtes Auge operiert werden, damit er es wieder schließen kann. »Aber ich würde lieber in den Irak fliegen, als mich noch einmal unters Messer zu legen«, sagt er.

Erschienen im Magazin NEON
Mann liebt Hund

Michael Kiok führt eine Beziehung mit seiner Schäferhündin. Was für viele eklig ist, nennt er Liebe. Ein neues Gesetz soll sie verbieten.
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Das weinrote Betttuch ist voller kurzer schwarzer Haare. Michael Kiok liegt auf der Seite. Ein graues Poloshirt spannt am Bauch. In der linken Hand hält er eine Tüte Erdnussflips. Ein paar Flips in den Mund, ein paar für Cessy. Mit der rechten Hand streicht Kiok über ihren Körper. Cessy beugt sich über sein Gesicht. Leckt mit ihrer langen Zunge nach Kioks Lippen. Die Zungen spielen in der Luft miteinander. Nach ein paar Minuten springt Cessy vom Bett. Michael Kiok setzt sich auf, lächelt und wischt ihren Speichel vom Kinn. »Das ist eines unserer Rituale. Cessy bekommt immer die letzten Erdnussflips aus der Tüte«, sagt Michael Kiok und wird rot im Gesicht.

Mehr als neun Millionen Hundebesitzer in Deutschland gehen mit ihren Hunden Gassi oder bringen ihnen Kunststücke bei. Für Kiok ist es normal, Cessy auch zwischen den Beinen zu streicheln. Etwa 100000 Männer und Frauen in Deutschland fühlen sich sexuell zu Tieren hingezogen, schätzt Kiok. Tierschützer und Behörden wollen offiziell lieber keine Schätzung abgeben.

Mit Katzen. Hunden. Pferden. Männlich. Weiblich. Missionarsstellung. Oral. Masturbation. Doggy Style.

Jedenfalls, das erfährt man von Michael Kiok, haben viele der Menschen, die sich zu Tieren hingezogen fühlen, auch regelmäßig Sex mit ihnen. Mit Katzen. Hunden. Pferden. Männlich. Weiblich. Missionarsstellung. Oral. Masturbation. Doggy Style.

Es ist halb elf am Donnerstagabend, dem 13. Dezember 2012 im Bundestag in Berlin. Nur wenige Abgeordnete sind noch anwesend. Einer der letzten Punkte der Tagesordnung, die Novelle des Tierschutzgesetzes, erzeugt Unruhe: Neben der Kastration von Ferkeln und dem Brandzeichnen von Pferden ohne Betäubung soll der sexuelle Kontakt zwischen Menschen und Tieren verboten werden. Klatschen. Murmeln. Zwischenrufe. »Ich meine, wir sollten uns wenigstens dahin gehend einig sein, dass derjenige, der ein Tier für seine abartigen sexuellen Neigungen missbraucht und dabei dem Tier Schmerzen zufügt, bestraft werden soll«, sagt Hans-Michael Goldmann, der Sprecher für Tierschutz der FDP-Bundestagsfraktion. Bei seiner Rede für das neue Gesetz ist er der Einzige, der das Wort »Zoophilie« ausspricht. »Das hat nichts mit der Liebe zu einem Tier zu tun«, sagt Goldmann und bekommt Beifall von den Abgeordneten. Goldmann ist Tierarzt, und Kollegen haben ihm unzählige Fotos von Missbrauchsfällen gezeigt. »Mit dem Verbot wird die Ahndung erleichtert und der Schutz der Tiere erhöht«, sagt er. Die Regierungsfraktionen stimmen für das Gesetz. Sex mit Tieren wird strafbar. Wer das Gesetz bricht, wird bis zu 25 000 Euro zahlen müssen - sobald Bundespräsident Joachim Gauck das Gesetz unterschrieben hat und es im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wird.

Michael Kiok lebt in einem fünfzig Quadratmeter großen Holzhaus in der Ortschaft Welver nahe Hamm in Westfalen. Mit seinem Kopf kann Kiok fast die Decke berühren. Die einzigen Nachbarn, die direkt an seinem Grundstück leben, sind Kühe. Im Frühling und Sommer. Die Kühe haben ihn zuerst kaltgelassen, jetzt freut er sich, wenn sie bald wieder auf der Weide stehen. »Die haben schöne Augen und sind gar nicht so unattraktiv, wie ich zuerst dachte«, sagt Kiok. Cessy läuft ins Wohnzimmer. Sie legt beide Vorderpfoten auf die obere Ecke der Matratze. Sie blickt Kiok in die Augen. Die linke Pfote streckt sie nach seinem Arm. Das ist das Zeichen. »Jetzt nicht, wir haben Gäste«, sagt Kiok und streichelt Cessy über den Kopf. Was er jetzt nicht macht, tut er sonst zwei- oder dreimal in der Woche: Cessy befriedigen. Dann steckt er seine Finger in ihre Vagina. Sie macht rhythmische Bewegungen und fängt an zu hecheln, wenn sie kommt. »Ihr macht das Spaß und mir auch. Manchmal kommt sie sogar zweimal hintereinander zu mir. Würde sie das tun, wenn es ihr nicht gefiele?«, fragt Kiok und grinst dabei. Aus seiner Sicht verläuft der Verkehr in beiderseitigem Einverständnis.

Ein Verbot von Zoophilie gab es in Deutschland bis 1969. Der Paragraf 175 b stellte »widernatürliche Unzucht mit Tieren« unter Strafe. Der Paragraf 175 verbot auch Homosexualität. Mit der Liberalisierung des Sexualstrafrechts wurde beides gestrichen. Für den ehemaligen Verfassungsrichter Winfried Hassemer ist das neue Verbot ein Rückschritt. »Dass Sex mit Tieren widerwärtig ist, reicht nicht, um ihn zu verbieten«, sagt Hassemer. Denn das Tierschutzgesetz stellt die »erheblichen Schmerzen oder Leiden« von Tieren bereits unter Strafe und damit auch sexuellen Missbrauch. »Moralische Fragen sind keine Sache des Strafrechts«, sagt Hassemer.

Ein Mann knöpft sich die Hose auf. Streift sie über seine Beine. Er legt sich zu der Schäferhündin auf das Bett. Streichelt über ihren Rücken, über ihre schwarzen Haare. Reibt seinen nackten Körper an ihrem. Küsst sie. Spreizt mit einer Handbewegung ihre Beine. Auf dem Computerbildschirm von Michael Kiok läuft eine Dokumentation über Zoophilie. In dem Film wird eine Szene gezeigt, in der ein Mann mit seiner Hündin schläft. »Die Hündin liegt da und reagiert überhaupt nicht auf die Liebkosungen von Pascal. Hätte sie Spaß, wäre sie viel mehr involviert«, sagt Kiok, und seine Stimme wird lauter. Er redet offen über seine Neigung, aber was bei ihm im Bett geschieht, dabei darf niemand zuschauen.
Auch seine Familie weiß nicht viel über sein Liebesleben. Seine Mutter hat aus der »Bild«-Zeitung von Kioks Beziehung zu Cessy erfahren. »Ich habe meine Frau für einen Hund verlassen« hieß die Schlagzeile im April 2010. Auf dem Foto leckt Cessy über Kioks Wange. Kiok sagt, er habe sich leider auf den Bericht in der »Bild«-Zeitung einlassen müssen, über ihn geschrieben hätten sie auch, wenn er nicht mit ihnen gesprochen hätte.
Sein Vater war Alkoholiker. Er war aggressiv, und ihm rutschte öfter einmal die Hand aus. Als Kind flüchtete er sich vor der Gewalt des Vaters in seine Fantasiewelt, zu bellenden Helden und sprechenden Bären. Sein Lieblingsbuch war »Bambi«. Die erste Zärtlichkeit mit einem Hund tauschte er im Alter von zwölf Jahren aus. »Es gab bei uns einen Schäferhund, der in einem Zwinger lebte. Anfangs hatte ich Angst vor ihm«, sagt Kiok. Einmal spielte er in der Nähe des Zwingers. Er bemerkte, dass der Hund ihn beobachtete. »Ich ging zu ihm, und er leckte an meinem Finger. Das war eine emotionale Explosion. Ich wollte mehr davon«, sagt Kiok. In der Pubertät schlich er nachts heimlich zum Zwinger. Er wollte den Hund streicheln. »Ich habe meinen Arm durch den Türspalt gestreckt. Der Hund stellte sich so hin, dass ich nur an seine besten Teile gekommen bin. Ich fand das aufregend.« Statt mit seinen Freunden auf Partys zu gehen und Mädchen kennenzulernen, schaute er lieber Tierdokumentationen im Fernsehen an. »Ich konnte mir das nicht erklären, aber es erregte mich zu sehen, wenn Tiere miteinander Sex haben«, sagt Kiok.
Heute ist Michael Kiok 52 Jahre alt und arbeitet in einer Bibliothek in Nordrhein-Westfalen. Nachdem die Lokalpresse über Kiok berichtet hatte, ließ sich sein Büronachbar umsetzen. Die anderen schwiegen nur. »Ein Student wollte wissen, was ich mit meiner Hundedame so mache. Ich hab's ihm erzählt, und er hat dann gelacht«, sagt Kiok.

Zehn Jahre lang hat Kiok versucht, normal zu sein.

Im Jahr 2009 gründete Kiok den Verein ZETA, »Zoophiles Engagement für mehr Toleranz und Aufklärung«. Das war eine Reaktion auf einen ersten Gesetzentwurf für das Verbot von sexuellen Kontakten zwischen Menschen und Tieren, den die Grünen veröffentlicht hatten. »Wir passen nicht in die Gesellschaft, aber ein Verbot wollen wir nicht einfach akzeptieren«, sagt Kiok. Inzwischen zählt der Verein knapp hundert Mitglieder. Ihr geheimes Erkennungszeichen ist ein Tattoo mit dem griechischen Buchstaben Zeta. Kiok trägt es an der rechten Hand. In Deutschland ist er das Gesicht der Zoophilie geworden. Bekanntheit hat Konsequenzen: Die Dorfbewohner meiden ihn. »Früher haben sie mich gegrüßt, heute tun das viele nicht mehr«, sagt Kiok. Einer spuckte vor ihm sogar mal auf den Boden. An die Ablehnung hat er sich gewöhnt. Anonyme Anrufer beschimpfen ihn. Tierschützer schreiben Trauerkarten und fragen: »Na, heute schon vergewaltigt?« Viele Briefe sind adressiert an den »Sadisten Kiok«.
Im März 2012 demonstrierten etwa vierzig Zoophiliegegner in Kioks Wohnort. In der Stadtmitte von Welver verteilten sie Flugblätter mit Fotos von Kiok. Sie trugen orangefarbene Warnwesten mit der Aufschrift »Stoppt sexuellen Missbrauch an Tieren«. Mit Megafonen und Trillerpfeifen gingen sie durch das Dorf bis zu Kioks Haus und hielten Fotos von missbrauchten Hunden und Katzen hoch. »Ich habe mich nicht getraut, die Polizei zu rufen. Ich habe gewartet, bis sie wieder gegangen sind«, sagt Kiok.
Zehn Jahre lang hat Kiok versucht, normal zu sein. Mit 27 Jahren begab er sich in Therapie. Am Ende wollte er mit einer Frau zusammenleben. In einer Tageszeitung schaute er nach Anzeigen und antwortete Lena, die eigentlich anders hieß. Lena hat ein Kind. Sie verstanden sich auf Anhieb und zogen zusammen. Zehn Jahre waren sie ein Paar, sechs davon verheiratet. »Die Beziehung funktionierte nicht. Einmal sagte sie halb im Spaß: Nur einmal Sex im Monat sei für sie ein Grund zur Trennung.« Selbst das eine Mal im Monat funktionierte nur, wenn er dabei an Sex mit Tieren dachte. Neben Cessy hat er nie Probleme zu kommen.

Wie viele Zoophile lebt auch Kiok bisexuell und nicht monogam.

"Sex mit Tieren ist Vergewaltigung", sagt die Tierärztin Nicola Siemers. Sie hat die Internetplattform "Tierärzte gegen Zoophilie und Sodomie" gegründet und ist eine der Initiatorinnen, die die Petition mit der Forderung der Gesetzesänderung an den Bundestag schickten.
Vergangenes Jahr im Februar lag in der Klinik, in der sie arbeitet, ein Hund auf ihrem Behandlungstisch. Der Hund blutete, sein Anus stand offen. Siemers konnte sich das nicht erklären. Bis sie googelte. Mit ein paar Klicks fand sie Videos von Männern, die Pferde oral befriedigen, oder Frauen, die mit Rüden schlafen. Sie fand Fotos von Hunden, die an Ketten auf einen Tisch gebunden wurden, um von einem Mann penetriert zu werden. Sie schrieb Briefe an Politiker, nahm an Mahnwachen teil und machte auf das Thema aufmerksam. »Tiere haben kein Sexualleben wie der Mensch«, erklärt sie. Eine Hündin ist nur ein- bis zweimal im Jahr läufig. In der übrigen Zeit ist sie nicht an Geschlechtsverkehr interessiert und beißt den Rüden weg. Eine kastrierte Hündin wie Cessy befindet sich permanent in dieser hormonellen Phase. Cessys Verhalten habe Kiok antrainiert, meint Siemers. Der Hund wolle seinem Herrchen gefallen und handle deshalb aus einem Zwang heraus.
Sie will, dass Zoophile keine »Opfer« mehr halten dürfen. Ihr geht das neue Gesetz nicht weit genug, sie fordert ein kontrolliertes Tierhaltungsverbot.

Tierschützer versuchten Michael Kiok vor ein paar Monaten wegen Tierquälerei anzuzeigen. Die Amtsveterinärmedizinerin kam unter Schutz von zwei Polizisten und prüfte die artgerechte Haltung. Sie stellte keine Auffälligkeiten fest. »Obwohl Cessy kastriert ist, hat sie eine Scheide und Gefühle wie vorher. Ich mache also nichts, was Cessy nicht gefällt. Wenn sie keine Lust hat, läuft nichts«, sagt Kiok.

Die Goldmedaille hängt in der Küche. Kiok nimmt sie in die Hand und betrachtet den eingeprägten Mann, der mit einem Hund im Gleichschritt springt. Die Auszeichnung haben Kiok und Cessy gemeinsam gewonnen. An der Hundeschule, 2006. Sie waren das »rasante Rudel« , weil sie bei der Prüfung am besten harmonierten. »Eigentlich sind wir total verschieden. Cessy ist verspielt und übermütig, sehr dominant. Und ich bin genau das Gegenteil. Wir funktionieren aber ganz gut zusammen«, sagt Kiok.
Jeden Morgen um 4 Uhr 30 klingelt der Wecker. Cessy liegt neben Kiok, wenn er aufwacht. Am Ehebett hat er einen kleinen Holztritt für sie gebaut und einen Teppich daraufgelegt. Er küsst sie auf den Kopf, zieht sich an und bereitet ihr ein Frühstück. »Wir gehen jetzt spazieren«, sagt Kiok. Wenn er mit Cessy redet, behandelt er sie wie eine gleichberechtigte Partnerin.

Wie viele Zoophile lebt auch Kiok bisexuell und nicht monogam. Vor Cessy war Kiok mit einem Rüden zusammen. Neben Cessy hat er noch zwei Katzen. Mit denen schmust er allerdings nur. Einmal war Kiok in eine Elefantendame verliebt. Sie war eine von mehreren Elefanten, die in der Manege in einem Zirkus Kunststücke zeigten. »Sie hat mir in die Augen geblickt, und ich habe sofort gesehen, was für eine starke und charismatische Frau sie ist«, sagt Kiok. Den Blickkontakt suchte sie immer wieder während ihres Auftritts. Die Kommunikation mit Tieren hat Michael Kiok in Seminaren gelernt. Er glaubt, ohne Worte zu verstehen, wie seine Hundedame tickt. Was sie sich wünscht. Wo er sie berühren soll. Ein anderes Mal machte er eine Pause an einem Autobahnrasthof und hatte einen Flirt mit einem Pferd. Neben dem Parkplatz war eine Pferdekoppel. Abseits der Gruppe stand ein Haflingerhengst. Kiok blickte dem Hengst tief in die Augen. Er beobachtete, dass der Penis des Pferdes erigiert war. »Wir zogen uns gegenseitig hoch, nur mit Blicken«, sagt Kiok.

Um das Gesetz in letzter Minute zu verhindern, hat der Verein ZETA einen Brief an Bundespräsident Gauck geschrieben. Sie haben ihm Zoophilie erklärt und hoffen, dass er das Gesetz nicht unterzeichnet. Tut er es doch, wird Kiok zusammen mit seinen zoophilen Freunden gegen das neue Gesetz klagen.

Erschienen im Magazin NEON
Die einen hier, die anderen da, verstehste?

Zwei Trinkhallen teilen sich eine Verkehrsinsel - als Konkurrenten, die doch vom selben Schicksal bedroht sind
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"Mein Schatz, willst du noch ein Bier?", fragt Natascha, wirft den Kopf in den Nacken und lacht. Wenn sie nicht über die "Türken" ein paar Meter weiter lästert, ist ihre Stimme sanft. "Aber klar! Wäre ich nicht verheiratet, würde ich dir sofort einen Antrag machen", sagt Hans, setzt das Feuerzeug am Bierflaschenhals an, und der Kronkorken fliegt auf den Boden.

19 Uhr, Feierabend, für Natascha heißt das: Rushhour.

19 Uhr, Feierabend, für Natascha heißt das: Rushhour. Die "Trinkhalle an der Galluswarte" ist ihr Arbeitsplatz, geöffnet von 10 Uhr morgens bis 1 Uhr in der Nacht, sieben Tage die Woche. Auf den knapp fünf Quadratmetern mit gestapelten Getränkekisten und Haribo-Tüten verbringt sie mehr Zeit als in ihrer Wohnung. Geld verdient sie mit Kaugummi, Kleinigkeiten, vor allem mit Bier. Und während sie die Flaschen über den Tresen reicht, schaut sie immer auch darauf, wie viele drüben durch die Luke gehen.

Drüben, das ist, nur 20 Schritte entfernt, die "Trinkhalle im Turm, auf derselben Verkehrsinsel, in demselben Flachbau an der Galluswarte, diesem jahrhundertealten Frankfurter Turm. Doch da, wo das Graffiti aufhört und der Putz von der Wand bröckelt, verläuft eine unsichtbare Grenze. Mit denen da drüben redet Natascha nicht. Stattdessen zeigt sie mit ausgestrecktem Finger hinüber, dahin, wo zwei junge Männer sich laut anschreien. "Da hat wohl wieder jemand seine Miete nicht gezahlt", sagt sie und kneift die mit dickem schwarzen Kajalstrich umrandeten Augen zusammen. Natascha war zuerst hier, mit ihrem hölzernen Einbauregal, in dem die Kümmerlinge neben den Jägermeistern und den kleinen Feiglingen liegen. Auf dem metallenen Fensterrahmen kleben Aufkleber von Fußballern vergangener Weltmeisterschaften wie stille Belege dafür, dass Natascha und ihr Bier schon seit zwanzig Jahren zur Galluswarte gehören.

Die Trinkhallen wurden in den fünfziger Jahren gebaut. Das Gallus war ein traditionelles Arbeiterviertel, in den Adlerwerken wurden Motor-, Fahrräder und Schreibmaschinen produziert, die Arbeiter wohnten nicht weit. Das Mineralwasser, das in den Trinkhallen ausgeschenkt wurde, war Luxus, weil das Wasser aus der Leitung ungenießbar war. Arbeiter tranken Bier und Schnaps.
Heute hat sich die Trinkhallen-Kultur verändert. Durch die langen Ladenöffnungszeiten werden die Supermärkte zu Konkurrenten, viele Büdchen müssen schließen. Die Laufkundschaft, die sich mal eine Tafel Schokolade oder ein paar Batterien kauft, wird das nicht stören. Die Stammkunden allerdings wissen nicht, wohin. Die Trinkhallen sind mehr als nur ein Warenangebot, sie sind öffentlicher Stammtisch eines Viertels.

Erika tauscht die leere Bierflasche gegen eine volle. Erika muss nicht sagen, welches Bier sie möchte, Natascha weiß, es ist immer ein Binding, das Frankfurter Bier. Einen Euro kostet es, das billigste Bier ist das Felsgold für 80 Cent. Hans zieht eine abgegriffene Plastiktüte aus der Tasche. Bestellt vier Flaschen Bier. "Nimmst mich mit nach Hause?", fragt Erika. "Nur, wenn du putzen kannst", sagt Hans. "Das hatte ich früher doch schon, hau doch ab", sagt Erika. Hans dreht sich um und geht. Früher, das muss bei Erika vor vielen Jahren gewesen sein. Fragt man Erika nach Jahreszahlen, weiß sie nicht so genau: War es 1993 oder 1999 oder in einem ganz andern Jahr? Sie ist die einzige Frau außer Natascha, die fast jeden Tag für ein paar Stunden kommt, ansonsten bleibt die Trinkhalle eine Männergesellschaft. Erika trägt ihre grauen Haare kurz geschnitten, das ist praktischer. Sie wohnt nicht weit. Mal redet sie mit jemandem, mal sitzt sie einfach da und schweigt und trinkt Schluck um Schluck. Gerade ist ihr danach zu reden. "Früher hatte ich selbst einen Kiosk", sagt sie und blickt auf den Boden. "Mein erster Mann ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Dann konnte ich nicht mehr", sagt Erika und nimmt einen Schluck aus der Flasche. In ihren wässrigen Augen, in denen rote Äderchen zu sehen sind, ist zu lesen, dass ihr Leben bisher kein leichtes gewesen ist. "Ich habe nicht einmal einen Führerschein, wie hätte ich das machen sollen?", fragt sie, als müsse sie sich rechtfertigen. Natascha hört Wortfetzen mit. "Die redet doch nur", sagt sie und wiegelt das Gehörte ab, weil sie die Geschichten in anderen Variationen schon oft gehört hat.
"Es gibt schlimmere Trinkhallen", sagt Erika. Sie verschränkt die Arme und will keine weiteren Fragen hören. In die Trinkhallen, wo die Junkies stehen, die Obdachlosen, da würde Erika nie hingehen. "Meine Freunde kommen erst nach der Schicht", sagt sie, Stunden später werden sie allerdings immer noch nicht aufgetaucht sein. Erika sagt, sie arbeite in der Baureinigung, heute habe sie frei. "Im Sommer ist es besser als im Winter. Da ist der Boden nicht so dreckig." In die Trinkhalle nebenan geht sie nur, wenn Natascha mal wieder nicht offen hat. "Die einen hier, die anderen da. Verstehste?", wiederholt Erika. Doch die Gier nach dem Bier überlagert auch dieses Gebot.

Drüben, in der "Trinkhalle im Turm", sitzt Özkan hinter Snickers, Schlümpfen und Kinderriegeln auf einem schwarzen Bürostuhl aus Leder. Sein Blick aus dem Büdchen ist auf die Mainzer Landstraße gerichtet, auf fahrende Autos und Männer in Anzügen, die von der Arbeit kommen. Während seiner Arbeit sieht er Natascha und ihre Kundschaft, die Alten, nicht. Auf der Metallabsperrung neben Özkans Tresen sitzt ein glatzköpfiger Jugendlicher. Sein Oberkörper ist nackt, die Muskeln zucken, Schweißperlen glänzen in der Abendsonne. Er schreit etwas auf Russisch. Ein Mann neben ihm, schwarze Jogginghose, Glatze. In seinen Händen hält er eine Metallkette und lässt sie durch die Luft zischen. Das sind die Leute, die bei Özkan trinken. Die Jungen.
Özkan kennt keine Namen, keine Geschichten, für ihn sind sie Kunden, die er bedient. Er beobachtet, er geht nur dazwischen, wenn es laut wird. Özkan lässt sich so schnell nicht aus der Ruhe bringen. Er arbeitet seit 2003 in der Trinkhalle. Damals hat sein Bruder den Kiosk übernommen. Bier, Zigaretten und Twix sind das Familiengeschäft. Die Özdemirs haben Erfahrung mit dem Handel. Als die Kurden Mitte der neunziger Jahre aus der Türkei nach Deutschland kamen, hatten sie keine Ausbildung, die hier anerkannt wurde. Um nicht ohne Arbeit dazustehen, eröffneten sie einen Obst- und Gemüseladen. Dann übernahmen sie die Trinkhalle, in der vorher ein kleiner Tabakladen war. Özkans Bruder ist verheiratet und hat einen Sohn, der neun Jahre alt ist. Der Kiosk allein reicht nicht, deshalb wird er bald ein paar Straßen weiter einen Kebab- und einen Pizzaladen eröffnen. Die Schichten am Kiosk teilen sie sich, die drei Brüder und der Schwager; so öffnen sie morgens um 6 Uhr, wenn die ersten ihre Zigaretten für die Arbeit kaufen, und schließen in der Nacht um 2 Uhr, wenn die letzten Jugendlichen noch ihr Bier geholt haben. "Einer nimmt jeden Morgen Sonnenblumenkerne und eine Cola. Er müsste 3,50 Euro zahlen, doch er gibt mir immer einen 5-Euro-Schein. Stimmt so", sagt Özkan und lacht, er hat strahlend weiße Zähne und trägt ein Ralf-Lauren-Shirt.

Uwe zieht einen »Dildo to go« aus seiner Fahrradtasche und gibt ihn rum.

Uwe zieht einen "Dildo to go" aus seiner Fahrradtasche und gibt ihn rum. Uwe ist etwas über 40 und Stammkunde. "Hier am Turm ist mehr los. Drüben ist es langweilig, da hocken nur die Alten", sagt er. Die reagenzglasförmigen Plastikflaschen mit dem "Dildo to go"-Sticker sind Uwes Geschäft. Seiner Chefin gehört der Vertrieb von partyschnaps-frankfurt.de. Ihr Büro ist nur ein paar Straßen entfernt, am Europagarten, dort, wo das neue Frankfurt entsteht. Das Frankfurt, das sich Leute wie Uwe nicht leisten können. Wohnungen von 100 Quadratmetern kosten dort 1400 Euro Kaltmiete. An der Trinkhalle macht er Werbung für seinen Handel und lenkt sich von der Arbeit vor dem Rechner zu Hause ab.

Hier die jungen Trinker, da die Alten, der Neid ums Geschäft. Doch hinter der Konkurrenz, dem Streit, steckt eine Geschichte. Die mit dem Überfall. Bis heute ist nicht geklärt, wer schuld ist. Aber seitdem reden die Özdemirs und Natascha nicht mehr miteinander. Natascha erzählt die Geschichte so: Es war Ostern 2004. Ein Jahr nachdem die Özdemirs ihren Kiosk eröffnet hatten. Natascha wollte gerade schließen, da schlugen vier Männer mit Baseballschlägern die Fenster ein. Sie lag am Boden zwischen den Glasscherben und musste ins Krankenhaus. "Die von drüben wollten mir Angst machen, wollten, dass ich verschwinde, damit einer ihrer Brüder unsere Trinkhalle übernehmen kann", behauptet sie. "Das wollten wir nicht zulassen. Man muss dem Feind die Zähne zeigen." Sie schiebt ihren Unterkiefer nach vorne. Natascha erstattete Anzeige. Es kam zum Prozess, erzählt sie, und: "Ich habe verloren. Alle meine Zeugen waren betrunken, die hat der Richter nicht ernst genommen." Sie lacht. "Aber sie wissen jetzt: Ich gehe nicht, und wenn sie was machen, rufe ich die Polizei." Die Özdemirs derweil bestehen darauf, mit der Attacke nichts zu tun zu haben; zur Konkurrenzlage sagt einer der Brüder: "Wir machen nur unsere Arbeit."

So oder so, der kleine Mikrokosmos, den sie mit Natascha teilen, ist bedroht. Für 3,83 Millionen Euro will die Stadt ab 2016 die Galluswarte umbauen, mehr Licht, mehr Platz, mehr Warte. "Trinkhallen ziehen manchmal ein problematisches Publikum an", heißt es aus Frankfurts Planungsdezernat. Vielleicht werde dort ein Café entstehen. Klingt nach ungewisser Zukunft. "Es ist längst Zeit, ins Altersheim zu gehen", sagt Natascha nur dazu. Und lacht. Einer ihrer Stammkunden hat ihr von den Plänen erzählt, doch sie nimmt das noch nicht wirklich ernst. "Wenn die hier wirklich einmal dichtmachen, dann muss ich halt schauen", sagt sie. Aufhören, das kann sie noch nicht, weil sie über die Jahre keine Ersparnisse angesammelt hat. Sie sagt nicht, wie viel sie an einem Tag verdient, aber es muss reichen für die Miete des Ladens, die Miete der Wohnung in Offenbach, das Auto. "Damit wir nicht so enden wie die, müssen wir weiterarbeiten", sagt sie und macht eine Handbewegung hin auf ihre Kunden, die an der Ecke stehen, mit dem Bier in der Hand. Die Özdemirs werden einfach einen neuen Kiosk eröffnen, irgendwo in Frankfurt. Denn Kunden, die gibt es ja überall.

Wahlverwandtschaften

Die Juggalos feiern ihre Armut und Chancenlosigkeit und sind so die zeitgemäßeste Subkultur Amerikas. Ein Besuch auf einem der wildesten Festivals der Welt.
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Als Brandon im "Legend Valley" ankommt, ist er pleite. Aus der linken Tasche seiner Baggy Pants zieht er sein Portemonnaie. Es ist leer. Ein paar Cents klimpern herum. Aus seinem Rucksack kramt er einen Gefrierbeutel, in dem dreißig Gramm Gras stecken. "Mehr brauche ich nicht«, sagt der 17-Jährige und lacht. Weil er sich zwar nicht ausschließlich von Marihuana ernähren kann, es aber trotzdem verdammt noch einmal versucht. Weil er weiß, dass er in den kommenden vier Tagen keinen Hunger leiden und ihm immer irgendjemand eine Flasche Wasser schenken wird, dass man hier auf ihn aufpasst. "So sind Juggalos«, sagt Brandon. "Wir sind eine Familie und helfen uns.«

Die "Juggalos" sind Fans des amerikanischen Horrorcore-Rap-Duos Insane Clown Posse (ICP), das sich selbst als "die verhassteste Band der Welt" bezeichnet. Nach außen geben sich ICP und die Juggalos wild und wütend, verschrecken Bürger mit bemalten Gesichtern, Horrorvideos und Drogenkonsum, zueinander aber sind sie nett, tolerant, ja fast sanft. Seit dem Jahr 2000 treffen sich jeden Sommer Tausende Juggalos zum "Gathering«, das dieses Jahr bei dem Ort Thornville in Ohio stattfindet. Innerhalb von vier Tagen lernt man hier nicht nur viel über eine schnell wachsende Subkultur, sondern auch einiges über die Nicht-mehr-ganz-so-super-Macht USA.

Die Sonne scheint über den grünen Hügeln, dem Festivalgelände "Legend Valley«. Der kleine See im Tal ist mit einem Gitter umzäunt. Brandon hat sein Zelt an einer Weggabelung aufgebaut, von der er direkt auf die Hauptbühne blicken kann. Der Geruch von Marihuana liegt in der Luft. Überall sieht man die Erkennungszeichen der Juggalos: schwarz-weiße Clownschminke, die sogenannten Hatchetman-Tattoos  ein Killer mit Axt  und die billig-süße, knallbunte Limonade Faygo; und man hört den Willkommensgruß "Whoop whoop!«. Die Bässe des ICP-Songs "Homies" vibrieren in den Autoradioboxen: "If you don't like me, you can fuck off! / Carnival ain't for everyone!" "Du magst mich nicht? Leck mich!«

Das "Gathering" ist auf den ersten Blick ein Festival unter vielen. Ein Ticket: 190 Dollar. Ein Autostellplatz: 110 Dollar. Kirmesbuden. Popcornstände. Ein Riesenrad. Bier aus Plastikbechern. Der Burrito kostet zwei Dollar. Einundsiebzig Konzerte an vier Tagen. Doch ICP sind keine normale Band und die Juggalos sind keine ganz normalen Fans. Violent J und Shaggy 2 Dope sind in einem armen Viertel Detroits aufgewachsen und rappen seit den frühen 90er Jahren über Lebensmittelmarken, blutige Kämpfe auf der Straße und den Vater, der nie da ist. Sie prangern Armut nicht an, schwelgen auch nicht, wie Kanye West oder Jay-Z, im Luxus und der HipHop-Version des amerikanischen Traums, sondern preisen die Armen und Außenseiter als Helden. ICP haben mehr als zehn Millionen CDs verkauft und eine Jugendbewegung gegründet. Violent J und Shaggy 2 Dope tragen Bürstenhaarschnitt, Football-Shirts und eine schwarz-weiße Kriegsbemalung, sehen aus wie eine Mischung aus Limp Bizkit und Kiss, und wer das irgendwie uncool findet, hat nichts verstanden. "Für unsere Fans sind wir Bob Dylan«, meinten sie mal in einem Interview. Viele der Juggalos, die man auf dem "Gathering" trifft, erzählen, dass sie zu Hause Regale im Supermarkt einräumen, an der Tankstelle jobben oder den Rasen in öffentlichen Parks mähen, viele sind arbeitslos oder beziehen Sozialhilfe. Zu Hause haben die Juggalos zu wenig Geld, zu wenig Perspektiven, tragen die falschen Klamotten und hören diese komische Band. Auf dem "Gathering«, dieser Mischung aus Loveparade, Wacken und Burning Man, aber sind sie nicht länger die Loser, sondern unter sich, sind die Könige der Welt. Und weil dieses Selbstbewusstsein nicht sofort verschwindet, wenn sie in den Alltag zurückkehren, ist die Juggalo-Bewegung auch eine Art Gruppentherapie für die amerikanische Unterschicht.

"Eben hat mein Freund Bier aus meinem Arsch getrunken", sagt sie mit einem breiten Lachen im Gesicht.

Brandon sitzt vor seinem Zelt auf einem Campinghocker und dreht einen Joint. Ein Mädchen in einem Bikini läuft vorbei, sein ganzer Körper ist knallrot. "Was ist dir denn passiert?«, fragt Brandon. "Ich habe zu viel Acid genommen und lag den halben Tag in der Sonne«, antwortet sie. Beide reden darüber, welche Bands sie heute schon gesehen haben und welche Drogen sie später noch nehmen werden. "Eben hat mein Freund Bier aus meinem Arsch getrunken«, sagt sie mit einem breiten Lachen im Gesicht. Auf dem Trampelpfad geht ein Mann in einer selbst gebauten Ritterrüstung vorbei. Brandon ruft ihm zu: "Whoop whoop!" der Schlachtruf der Juggalos. Der Ritter antwortet "Whoop whoop whoop!" und zieht seine Graspfeife aus der Tasche. Brandon und der Ritter kiffen ein bisschen und trennen sich dann wieder.

Was man in vier Tagen auf dem "Gathering" so alles sieht: Einen Typen, der sich mit Brandbeschleuniger überschüttet und anzündet. Zum Glück haben seine Freunde einen Feuerlöscher dabei. Ein Mädchen in Hotpants, das einem Typen, dessen Bauch bis zum Boden hängt, einen Lapdance gibt. Zwei Mädchen, die an einem Wettbewerb teilnehmen, der ganz harmlos "Wet-T-Shirt-Contest" heißt, und sich dann Zwei-Liter-Plastikflaschen in den Hintern stecken. Das "Gathering" ist eine Mischung aus Freakshow und sozialem Experiment. Jeder probiert alles aus und macht, was er will. Juggalos ersetzen nicht die wahre Familie, aber sie erleichtern es vielleicht, damit umzugehen, dass man keine hat.

Sein vier Jahre älterer Bruder Blade sitzt auch im Gefängnis, weil er einen Mann ausgeraubt hat, um Geld für Heroin aufzutreiben.

Brandon ist im Bundesstaat Wisconsin aufgewachsen. Als er sechs Monate alt war, erzählt er, habe seine Mutter ihn vor der Haustür seines Vaters abgestellt. Brandon kann sich natürlich nicht daran erinnern, er hat die Geschichte aber sehr oft gehört. "Es gab immer nur meinen Vater und mich. Er war mein bester Freund«, sagt Brandon. Tränen steigen ihm in die Augen. Der Name seines Vaters sei Louis, sagt Brandon, er habe einen langen Bart getragen und immer ein Basecap. Louis hatte eine Drogenkarriere hinter sich; als Brandon neun Jahre alt war, teilte er sich mit seinem Vater den ersten Joint. 2011 wurde Louis bei einer Polizeikontrolle mit ein bisschen Gras erwischt, er kam in Untersuchungshaft, wurde krank und wohl zu spät ins Krankenhaus verlegt. Louis starb zwei Tage später. Vermutlich an Herzversagen. Brandon war damals vierzehn und allein. Sein vier Jahre älterer Bruder Blade sitzt auch im Gefängnis, weil er einen Mann ausgeraubt hat, um Geld für Heroin aufzutreiben. Seine Mutter ruft Brandon nur an, wenn sie Geld für Drogen braucht. An seinem Geburtstag bleibt das Telefon still. "Ich weiß nicht einmal genau, wie alt sie ist«, sagt Brandon. Früher habe ihn das sehr wütend gemacht, inzwischen habe er akzeptiert, dass seine Mutter nicht Teil seines Lebens sein will. Es klingt, als habe ihm ein Therapeut das eingeredet, aber eigentlich hat Brandon alles, woran er glaubt, von ICP gelernt.
Es gab einen Punkt, an dem Brandon glaubte, dass er nicht alt werden würde. Ein Freund gab ihm ein ICP-Album, immer wieder hörte er den Song "Pass Me By«, immer wieder: "And while you sit around cryin' for your dead friend / He's chillin' up there, paid, getting mad ends" trauert nicht um die Toten, heißt es da, die hängen im Himmel ab, es geht ihnen gut.

Das "Gathering" wirkt mit dem Sex und den Drogen nicht wie eine religiöse Veranstaltung, aber in der Welt von ICP gibt es Gesetze, einen Himmel  das "Shangri-La« und eine Hölle. Die Band gibt gerade Leuten, deren Welt keine Ordnung kennt, Orientierung. "Es war so, als würde mich endlich jemand verstehen«, sagt Brandon. Einer der wichtigsten Werte ist Toleranz. Das "Gathering" sieht manchmal aus wie eine Messe der Hardcore-Subkulturen, man sieht Piercingkunstwerke, Irokesenschnitte und Fetischkostüme. "Alles ist erlaubt«, das Motto der Postmoderne scheint hier endlich umgesetzt: Du bist weiß, schwarz, lateinamerikanisch, hetero, gay, transgender mir doch egal, willst du kiffen?

Brandon will ein besseres Leben als seine Eltern und sein Bruder, er nimmt kein Crystal Meth mehr und besucht noch die Schule. Truckfahrer sei doch ein guter Beruf. Seine Lebensplanung ist vergleichsweise bescheiden. Andere Jugendliche träumen davon, in die Großstädte New York oder San Francisco zu ziehen oder auf ein College zu gehen, sein American Dream ist es, die Miete zahlen zu können.

Was man auf dem "Gathering" auch sieht: Eine zwei Meter lange Bong, an der sich die Menschen brav anstellen. Einen Moshpit, in dem sich die Juggalos mit dem knallbunten Softdrink Faygo besprühen. Einen Typen, der sich "ICP" in die Brustbehaarung rasiert hat und ein Schild um den Hals trägt: "Ich bin Jungfrau. Bitte ändere das!" Einen Ex-Dealer und Ingenieur, der eine Pistole im Hosenbund trägt.

Wer das "Gathering" besucht, erlebt ein Amerika, das wenig gemein hat mit Hollywood, der Wall Street und dem Silicon Valley. Die Juggalos kommen größtenteils nicht aus den Großstädten an der Ost- und Westküste, sondern aus Kleinstädten in Michigan, Louisiana und Ohio, in denen die Infrastruktur und die Industrie den Bach runtergehen und die Menschen weniger Lebenschancen haben. Fast fünfzig Millionen arme Menschen leben zurzeit in den USA, und Präsident Obama sagte in seiner Rede zur Lage der Nation am Anfang des Jahres, dass es die größte Herausforderung im 21. Jahrhundert sei, die Schere zwischen Arm und Reich nicht größer werden zu lassen. Gleichzeitig aber kündigen konservative Republikaner im beginnenden Kongresswahlkampf an, die Sozialhilfe zu kürzen. Der konservative TV-Sender Fox News wettert 24 Stunden am Tag gegen die angeblichen Schmarotzer aus der Unterschicht, bezeichnet sie als "Ratten" und "Parasiten«.

Die amerikanische Mittelschicht will die Juggalos nicht haben. Deshalb bilden sie während des "Gathering" eine eigene Gesellschaft. Sie unterhalten zum Beispiel eine Art funktionierende Tauschwirtschaft: Wer kein Geld hat, tauscht ein altes Band-Shirt gegen ein Sixpack Bier oder bietet für ein paar Dollar an, das Auto zu putzen. Vor ihren Zelten verkaufen einige für einen Dollar Hotdogs, selbst gebackene Kekse, Freundschaftsarmbändchen oder selbst gemalte Bilder  und natürlich Acid. MDMA. Kokain. Pilze. Marihuana. Es gibt sogar eine eigene Justiz den "Juggalo Night Court«. Im vergangenen Jahr wurde ein Teilnehmer dabei erwischt, wie er Geld aus Zelten klaute. Statt das der Polizei zu melden, verprügelte eine Gruppe den Dieb und zerlegte sein Auto in Einzelteile.

Die Juggalos werden von den Behörden und dem Establishment kritisch betrachtet. Das FBI veröffentlichte vor einiger Zeit ein 94  Seiten langes Dokument mit dem Titel "Nationale Bedrohungsanalyse durch Gangs«. In der Gruppe "Nicht traditionelle Gangs" werden auch die Juggalos aufgelistet. Damit stehen sie im selben Bericht wie schwer kriminelle Gangs wie die Crips oder die lateinamerikanische Mara Salvatrucha. Straßengangs also, die kartellähnliche Strukturen haben, morden und schwere Verbrechen verüben. Es gibt sicherlich Kriminelle unter den Fans von ICP, aber die meisten der rund eine Million Juggalos  wie das FBI schätzt mögen vor allem die Musik, die Partys, das Gefühl des Zusammenhalts.

Seit dem FBI-Bericht ist es riskant geworden, in der Öffentlichkeit die ICP-Symbole zu zeigen. Überall auf dem "Gathering" hört man Geschichten wie die von Amanda, die als Landvermesserin in Las Vegas arbeitet und bereits zum fünften Mal beim "Gathering" dabei ist. Die Polizei hielt sie aufgrund eines ICP-Stickers auf dem Wagen auf, verhörte sie mehrere Stunden und setzte sie auf eine Liste von potenziellen Gewalttätern. Ihre Zuneigung zu ICP hat das nicht vermindert, sondern eher noch gestärkt: "ICP haben mich erzogen, nicht meine Eltern oder meine Großeltern.«

In der Nähe des Wrestling-Rings, der zu jedem "Gathering" dazugehört, trifft man den 31-jährigen Anwalt Farris Haddad, den Anwalt von Violent J und Shaggy 2 Dope, der gegen den FBI-Bericht klagt. Warum das FBI die Juggalos auf die Liste setzte, ist bis heute nicht eindeutig nachvollziehbar. "Wir bekamen vom FBI eine lose Sammlung von Zeitungsartikeln, in denen darüber berichtet wurde, dass Juggalos kleinere Straftaten begangen hätten«, sagt Farris, der in Detroit mit der Musik von ICP aufgewachsen ist. Auch wenn er nur noch selten zu Konzerten geht, möchte er den Namen der Juggalos verteidigen. Im April erklärte sich das Amtsgericht für nicht zuständig und wies die Klage ab. In ein paar Monaten will Farris in einer höheren Instanz in Berufung gehen. In den vergangenen zwei Jahren hat er Tausende Juggalos interviewt und Geschichten von Menschen gehört, die ihren Job verloren haben, weil sie ein ICP-T-Shirt am Arbeitsplatz getragen haben, oder denen das Sorgerecht für ihre Kinder entzogen wurde, weil sie Juggalos sind.

Verlässt man das Festivalgelände, ist man in wenigen Minuten in Thornville. Knapp tausend Menschen leben in der Stadt. An der Main Street befinden sich neben der Polizeistation das Büro des Bürgermeisters, eine Apotheke und ein kleines Restaurant, das an diesem sonnigen Nachmittag fast leer ist. In den Seitenstraßen folgt Reihenhaus auf Reihenhaus. Auf einer Veranda stehen blau lackierte Stühle. Blumen rahmen den Weg. Thornville ist eine Bilderbuchstadt, hier gibt es viel Spießigkeit und drei Kirchen. Die Bewohner haben sich eigentlich an Musikfans gewöhnt. Seit über dreißig Jahren treten hier Rockgrößen wie Bon Jovi oder Bryan Adams auf. Einen Monat nach dem "Gathering" wird Tim McGraw, ein Country-Star, für seine Fans Songs wie "Just to See You Smile" singen. Musik, die in Radios läuft, die jeder kennt. Gegen die niemand etwas hat.

Vor einer Kirche versammeln sich die Jugendlichen zur Bibelstunde. Melissa King, eine Frau mit blonden, lockigen Haaren, winkt sie in den Unterrichtsraum. Fragt man Melissa nach den Juggalos, verschwindet ihr Lächeln. Viele Einwohner von Thornville waren gegen das "Gathering" und wollten das Festival verhindern. Doch der Besitzer des "Legend Valley«-Geländes, Steve Trickle, ging von Haus zu Haus und beruhigte die Anwohner. Schließlich gab der Bürgermeister sein Einverständnis. Man könnte Melissa erklären, dass sie und die Juggalos viel gemeinsam haben, dass sie beide an die Familie, an Himmel und Hölle glauben und nur bei Splattervideos und Gangbangs unterschiedlicher Meinung seien. Aber Melissa ist kaum zu beruhigen. "Ich sage meinen Kindern, dass sie sich in der Schule anstrengen müssen, damit sie nicht so enden«, sagt Melissa. Und natürlich dürfen ihre Kinder auf keinen Fall ICP hören. Melissa hat Angst, dass ihr Vorgarten zertrampelt wird und Graffitis an den Wänden auftauchen. Die Bewohner von Thornville zeigen, wie viele Amerikaner aus der Mittelschicht auf die Juggalos blicken. "Ich bete jeden Tag, dass an diesem Wochenende niemand stirbt«, sagt Melissa.

Noch heute trägt er eine Pistole unter dem T-Shirt.

Wahrscheinlich hätte Melissa auch vor Marcus große Angst. Der 29-Jährige hat muskulöse Arme und er hat sich ein Bandana der Band Twisted um den Kopf geschlungen. Sein Zelt findet man am Rande des Festivalgeländes. Er braucht ein bisschen Abstand von den anderen Juggalos  der Besuch des "Gathering" ist für ihn eine Zeitreise, zurück in ein vergangenes Leben. Marcus ist ICP-Fan, seit er zwölf Jahre alt war. "Ich war damals gewalttätig«, sagt er. Marcus erzählt von illegalen Kämpfen in Hinterhöfen und Bar-Schlägereien. ICP hätten ihm geholfen, niemandem wirklich zu schaden, "gerade weil sie in ihren Songs darüber rappen, dass man in manchen Momenten einfach jemanden umlegen will«. Dieses dunkle Gefühl kenne er sehr gut, sagt Marcus, und er ist sich nicht sicher, ob er ohne ICP und die Juggalos nicht doch irgendwann die Beherrschung verloren hätte. Marcus hat 26 ICP-Konzerte und dreimal das "Gathering" besucht, war auf Hunderten Psychocore-Konzerten. Zehn Jahre lang reiste er zusammen mit seiner Exfrau Sara durch die USA und verkaufte Drogen auf den Konzerten. "Das war unser Zuhause«, erzählt er und zeigt auf ein grünes Zelt. "Wir haben vom Dealen gelebt. Sara hat selbst viel konsumiert." Es fällt ihm schwer, über diese Zeit zu reden. Vor drei Jahren war er an einem Punkt, an dem er sich entscheiden musste: Will ich eine Frau, Kinder und ein normales Leben? Oder will ich weiter Drogen verkaufen und auf der Flucht sein? Sara entschied sich für die Drogen, Marcus meldete sich auf einem College an und studierte Ingenieurwissenschaften. Sobald er seinen Abschluss hatte, bekam er einen Arbeitsvertrag bei einem großen Konzern, der Roboter für die Autoproduktion entwickelt. Noch heute trägt er eine Pistole unter dem T-Shirt. Er habe sich eben viele Feinde gemacht, sagt Marcus und fügt hinzu, dass er einen Waffenschein besitze. Er hofft, dass er die Waffe nie benutzen muss.
Der Besuch des "Gathering" ist für ihn eine Art Abschied von den Juggalos und ICP. Die Band habe ihm sehr geholfen, sagt er, mit der Stimmes eines Mannes, der weiß, dass ein Happy End keine Selbstverständlichkeit ist. Er werde tief drinnen immer ein Juggalo bleiben. "Wir Juggalos müssen immer ein bisschen mehr tun, damit wir eine Perspektive haben«, sagt er.

Am vierten Tag um 22 Uhr ist der Campingplatz verlassen. Die Juggalos haben sich vor der großen Bühne versammelt wie zu einem Gottesdienst. Viele haben sich schwarz-weiße Clownsgesichter gemalt. Es ist warm und leichter Regen kühlt die schwitzenden Körper. Auf dieses Konzert haben alle gewartet, Brandon, Amanda, Marcus, Farris. Das Finale des "Gathering«. "Up in the air I hear they don't care / Get your mutha fucken melon busted for a stare«, rappen ICP und alle gehen mit. Auf der Bühne stehen zehn Leute, die Faygo in die Massen sprühen. Der leicht süßliche Geruch der Billiglimonade verbreitet sich in der Sommernacht. Es ist, als würden alle zu einem klebrigen Klumpen verschmelzen. Sie tanzen. Sie schreien. Sie rufen immer wieder "Wir sind eine Familie" und "Whoop whoop!«. Für den letzten Song öffnen ICP die Bühne. Mehr Faygo. Mehr Dezibel. Mehr Menschen. Brandon steht neben dem Moshpit, hat ein breites Grinsen im Gesicht und sagt: "Ich will nie wieder ein 'Gathering' verpassen." Amanda tanzt auf der Bühne. Marcus steht vorm Riesenrad und beobachtet das Konzert aus der Ferne. Er packt, bevor die Sonne aufgeht. Als er das Gelände verlässt, hat er sein grünes Zelt zurückgelassen.

Erschienen im Magazin NEON
Tanzen im Chaos

Die ägyptische "Mahraganat"-Bewegung feiert Partys, statt zu demonstrieren. Rebellisch ist sie trotzdem.
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Zwei Pistolenschüsse knallen in der Luft, als Ahmed zum Mikrofon greift. Der Klang des Schreckens ist in dieser Nacht ein Willkommensgruß der Fans. "Wir leben für die Liebe. Glück ist die Ekstase!«, schreit der 25-Jährige. Er trägt seine Partyuniform: Skinny Jeans und Adidas- Shirt. Beats dröhnen aus den zehn Boxen, die auf einer wackeligen Holzbühne stehen. Keine Sicherheitsabsperrungen. Keine Bodyguards.
Zwischen zwei Häuserblocks im Armenviertel Imbaba in Kairo wird eine Hochzeit ausgerichtet. Etwa siebenhundert Männer drängen sich aneinander und schwenken ihre Arme in der Luft. Rote, grüne, blaue Diskolichter flackern im Dunkel. Frauen mit verschleierten Gesichtern stehen auf den Balkonen der umliegenden Häuser und schauen zu. Mittanzen dürfen sie nicht. Die Traditionen verbieten es ihnen, die Männer auch. Laut zu feiern, heißt hier noch lange nicht, progressiv zu sein. Ein Mann mit nacktem Oberkörper springt von der Bühne. Hände fangen ihn auf. Einige zünden Deosprays an und verwandeln sie in Flammenwerfer.
Statt Bier trinken die Jungs Pepsi und reichen einander dicke Joints. Die Musik schluckt Worte und Gedanken. Gedanken um die Zukunft ihres Landes. Heute Abend wird gefeiert - denn die Polizei kontrolliert nicht mehr. Die nächtliche Ausgangssperre wurde endlich aufgehoben.

Ahmed ist einer der Sänger der Gruppe Dawshageya, arabisch für "Die Krachmacher«. Dawshageya ist eine der neuesten Gruppen aus den Slums von Kairo. Gegründet vor einem Jahr und bereits berühmt in ganz Ägypten. Sie reitet auf der Erfolgswelle der größten alternativen Popbewegung eines Landes, das im politischen Chaos versinkt. Die Musikrichtung, die seit der ägyptischen Revolution 2011 boomt, nennt sich "Mahraganat"- das arabische Wort für Festival - und klingt nach einer Mischung aus Electro, R&B und Rap. Wer den Sound erfunden hat, darüber streiten sich die unterschiedlichen Musiker - Salsa & Sardena, Oka, Ortiga und Shehta, 7a7a & Figo. Ihre Musik klingt ähnlich, und geboren und aufgewachsen sind sie fast alle in den Straßen des Kairoer Slums Matariya.
Bei Mahraganat liegt die Rebellion im Sound, nicht im Text. In Ägypten ist die Politik wirr geworden, es ist schwierig zu wissen, wem und was man glauben soll. In diesem Chaos stellt sich Dawshageya auf niemandes Seite, die Band bezieht einfach gar keine Position. Alle Dawshageya-Mitglieder waren auf dem Tahrirplatz und haben demonstriert, aber politische Botschaften wollen sie nicht rappen. Im Gegenteil: Sie wollen mit ihrer Musik politikfreie Momente schaffen.
Die Sehnsucht nach einem neuen Sound ist sowieso groß: Die Hälfte der 85 Millionen Bewohner Ägyptens ist unter 25. Und die musikalischen Alternativen sind in Ägypten klassische arabische Chansons der 1975 verstorbenen Sängerin Umm Kulthum oder des 59-jährigen Mohamed Mounir. Beide sind Legenden, die aber musikalisch eher Klassik gleichkommen. Um dem zu entkommen, könnten die jungen Ägypter natürlich Popsongs aus den USA hören. Aber lieber schaffen sie mit Mahraganat ihr eigenes Ding. Es ist eine stille und zugleich sehr laute Form der Aufsässigkeit.

Der Koran liegt auf einer pinken Platzdecke in der Mitte des Tisches. Daneben ein Smartphone und zwei Pepsi-Dosen.
Der Koran liegt auf einer pinken Platzdecke in der Mitte des Tisches. Daneben ein Smartphone und zwei Pepsi-Dosen. Im Zimmer von Ahmed klebt ein Sticker, der eine Party ankündigt. Hier hat er angefangen, sich auf dem Laptop durch YouTube-Tracks der Vorreiter zu klicken und übte Rappen vor dem Spiegel. Wenn Ahmed allerdings kein Mikrofon in der Hand hat, ist er ein unauffälliger Typ. Vor wenigen Tagen ist seine Mutter gestorben. Ihr hatte es nicht gefallen, dass Ahmed rappte, weil er nach Auftritten spät nach Hause kam und sein Einkommen nicht sicher war. Das Hintergrundbild seines Handys zeigt nun ein Foto von seiner Mutter, auf Facebook hat Ahmed ein Trauerbanner hochgeladen. Nachdem im Februar 2012 ein Freund beim Massaker im Fußballstadion Port Said gestorben war, schrieb die Band einen Song. Reden möchte Ahmed aber nicht über den Tod, sondern über seine Musik. "Nach der Revolution wollen die Leute wieder feiern. Als wir auf einer Hochzeit gespielt haben, sind fünftausend Leute gekommen. Vier Straßen waren blockiert«, sagt Ahmed. Seine Augen leuchten, als er von der Hochzeit des Bruders von DJ Ramy am 12. November 2013 erzählt. "Die Party war wie eine Explosion. Oder ein Erdbeben." Ahmed drückt ein paar Tasten auf dem Handy und zeigt ein Video der Hochzeit. Zur Musik, die aus dem Handy schrabbelt, wippt er mit den Füßen. Smartphones sind die Plattenlabels der Mahraganat-Bewegung. Die Musik hat sich nicht über CDs verbreitet, sondern über Bluetooth von Handy zu Handy.

Auf Facebook hatte die Band knapp 30 000 Fans, doch im April 2013 hackten Unbekannte ihr Profil. "Nicht allen gefällt unsere Musik«, sagt Ahmed, er weiß aber nicht, ob die Hacker Neider oder echte Feinde waren. Heute sind es knapp 1 900 Fans, die Fotos und Videos kommentieren. "Ahmed ist ein Prinz«, steht dort, oder: "Ich schwöre bei Gott, ihr seid der größte Star in Ägypten!" Ahmed sagt: "Wir bekommen jeden Tag Anfragen, auf Hochzeiten zu spielen. Zur Hochsaison im Sommer rappen wir fast jeden Tag auf der Bühne." In Clubs spielen sie nur selten. Pro Auftritt bekommt Dawshageya zwischen 5 000 und 10 000 ägyptische Pfund. Das sind umgerechnet 500 bis 1 000 Euro. In Matariya, wo die Monatsmiete etwa fünfzig Euro kostet, ist das enorm viel Geld. Vor ein paar Wochen haben Dawshageya in der Touristenmetropole Scharm El-Scheich gespielt, bald legt Ramy in Frankreich auf.

Am Samstag nach der Hochzeit bläst Eslam im Café Milano den Rauch einer Wasserpfeife aus der Nase. Geschmack: Pfirsich. Seine Haare trägt er eigentlich lang und lockig, doch in ein paar Wochen beginnt sein Wehrdienst, eineinhalb Jahre wird er dauern, deshalb musste Eslam seine Haare abrasieren. "Einerseits freue ich mich darauf, meinem Land zu dienen, andererseits habe ich auch Angst davor, welche Aufgabe mir zugewiesen wird«, sagt er. Wichtig ist ihm, dass er an freien Tagen reisen und rappen darf. Auf der Bühne trägt Eslam enge, weit ausgeschnittene Shirts mit der amerikanischen Flagge, im Café Lederjacke. "Stars and Stripes sind hier gerade in Mode«, sagt er und lacht. Wenn die Zeitungen der Regierung schlecht über Obama schreiben, kommt eine amerikanische Flagge einem politischen Statement gleich. Junge Männer machen progressive Musik, die sie aber fast nur auf konservativen Anlässen aufführen, nämlich auf Hochzeiten; sie lassen Frauen nicht mitfeiern, freuen sich auf den Militärdienst für ihr Land und bekennen sich doch zu den USA - darin steckt viel Widerspruch, doch es ist schwierig, ihn aufzulösen. Auch Eslam will keinesfalls über Politik reden. "Das ist viel zu kompliziert geworden«, sagt er und zieht mit beiden Händen seine Mundwinkel nach oben zu einem lachenden Gesicht. "Die Menschen sollen lachen und tanzen und Spaß haben!" Darin sieht Dawshageya die Aufgabe der Mahraganat-Bewegung: eine Nacht alles vergessen lassen. Und dann noch eine Nacht.

Sardena hatte es nicht geplant, aber er sagt, dass der Song zu einer Art Soundtrack der Demonstranten auf dem Tahrirplatz wurde.
Einer der Väter von Mahraganat wohnt nur eine Straße weiter, der 27 Jahre alte Sardena. Er dreht sich auf seinem Bürostuhl, den er mit Plastik bezogen hat. Sein etwa sechs Quadratmeter großes Studio wirkt wie ein Schrein seiner selbst. An die Wände sind neonfarbene Partygraffiti gemalt und riesige Fotos von Sardena gehängt. "Die Jungs haben alles von mir gelernt«, sagt er. Am 30. März 2011 - eine Woche vor der Geburt seines ersten Sohnes Yassen - hat er den Track "Mahrajan Baheyya" bei YouTube hochgeladen. Ein Song, der bis heute fast sechs Millionen Mal angeklickt wurde. Sardena hatte es nicht geplant, aber er sagt, dass der Song zu einer Art Soundtrack der Demonstranten auf dem Tahrirplatz wurde.

Eine Stunde nachdem Ahmed und Eslam auf die Bühne gesprungen sind, fällt der Strom aus. "Wir grüßen das Hochzeitspaar und wünschen ihm Glück!«, schreit Ahmed. Jemand zischt Beats in die Hände. Nach ein paar Minuten geht er wieder los, der Beat, der Bass, der Rap. Das Feuer und die Raketen. Die Party endet um halb zwei in der Nacht.

Erschienen im Magazin NEON
Der Altmusikhändler

Marokkos Fantastische Soulmusik der 70er Jahre kennt niemand mehr. Der Berliner Jannis Stürtz will das ändern.
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Ein fünf Jahre altes Foto ist der einzige Hinweis, den Jannis Stürtz in der Tasche hat, als er seine Suche beginnt. Der 31-Jährige hat im Internet ein Bild entdeckt, das ihn sofort elektrisierte: bunte arabische Plattencover, in einem Laden in der Rue de Marrakech. Für Jannis Grund genug, um knapp 4000 Kilometer von Berlin nach Agadir zu reisen. Mit schnellen Schritten geht er nun durch die Straßen der Stadt, vorbei an Frauen mit bunten Kopftüchern, an Palmen und Cafés, in denen Männer Karten spielen. »Hoffentlich gibt's den Laden überhaupt noch«, murmelt er.

Der Berliner Musiklabelbetreiber und Plattensammler ist auf einer Mission in Marokko: Er will verschollene Soul- und Funkplatten aus den 70er Jahren ausgraben und die Familie der marokkanischen Soullegende Fadaul finden, um sich die Rechte an dessen Songs zu sichern. Der Sound einer zu Unrecht vergessenen Ära soll zum Leben erweckt werden, die Menschen in Beirut, Tunis, Paris, Dubai und Berlin sollen wieder zu Fadauls rotziger Musik tanzen. Doch die Mission ist gar nicht so einfach.
Die glamourösen Stars von einst verstaubt, verblichen, vergessen.
Hinter einer dunkelblauen Markise an der Hauptstraße entdeckt Jannis endlich den Plattenladen. Die Tür steht offen. Jannis bewegt sich langsam, fast ehrfürchtig, als würde er eine Schatzkammer betreten. Drinnen riecht es zumindest ähnlich: ziemlich muffig. An der Wand hängen sechs Regale, vollgestellt mit alten Platten. Auf den Covern: arabische Schriftzeichen, Frauen mit Föhnfrisuren und Männer mit Gitarren. Die glamourösen Stars von einst verstaubt, verblichen, vergessen.

»Die arabische Welt ist so viel mehr als nur Terror und Scharia«, sagt Jannis. In den 70er Jahren reisten Hippies aus aller Welt nach Tanger und Casablanca, der Westen traf auf Afrika und den Nahen Osten, eine spannende, hoffnungsvolle Zeit. Die arabischen Melodien von Fadauls Zeitgenossen hatten Einfluss auf die Popmusik. »Jeder hat schon einmal zu Songs wie Jay Zs ›Big Pimpin'‹ oder ›Galvanize‹ von den Chemical Brothers getanzt«, sagt Jannis. Allerdings weiß kaum jemand, dass die Melodie von »Galvanize« im Original von der marokkanischen Sängerin Najat Aatabou stammt, die in den 70er Jahren den Song »Hadi Kedba Bayna« aufgenommen hat.

Im Plattenladen zeichnet Jannis mit dem Finger einen Kreis in die Luft und sagt die wenigen Wörter, die er auf Französisch gelernt hat: »Disque Vinyl grande?« Der Inhaber hat tiefe Falten im Gesicht und trägt einen grauen Kaftan. Er starrt auf die einzige Lichtquelle im Raum: einen Fernseher, auf dem eine arabische Soap flimmert. Kurz dreht sich der Mann zur Seite und sagt: »Decoration!« Er will nichts verkaufen, zumindest nicht jetzt und nicht an Jannis. Man kann nur vermuten, dass der Mann seine wertvolle persönliche Sammlung nicht an dahergelaufene Touristen verscherbeln will.
Wenn sie ihre Läden schließen, landet die Musik auf dem Müll und ist für immer verloren.
Über 3000 Platten hat Jannis in seiner Berliner Wohnung gesammelt, viel HipHop, Funk und Jazz, aber auch 300 Platten aus dem arabischen Raum. Dies ist bereits seine sechste Reise nach Marokko, vorher hat er schon in Tunis, Kairo und Marseille nach alten Platten gesucht. »Marokko fasziniert mich und ich entdecke auf jedem Trip eine besondere Platte«, sagt er. Er hat nicht viel Zeit für sein poparchäologisches Projekt, denn die Inhaber der wenigen Plattenläden, die es noch gibt, sind oft schon weit über siebzig Jahre alt. Wenn sie ihre Läden schließen, landet die Musik auf dem Müll und ist für immer verloren. Die meisten jungen Marokkaner hören eben lieber, wie der Rest der Welt, Taylor Swift oder Katy Perry auf ihren Smartphones als Vinylplatten auf den Plattenspielern der Eltern.

In Europa und den USA, wo der Umsatz von Vinyl seit Jahren wieder steigt, ist Jannis mit seiner Leidenschaft für die exotischen arabischen Klänge nicht allein. »Ich liebe diesen schnellen und schmutzigen Sound«, sagt Jannis, »und die Texte über Trance und Freiheit.« Unter »Diggern«, wie sich professionelle Plattensammler nennen, gelten die arabischen Platten als besonders begehrt, weil sie selten und schwer zu finden sind. Auf Internetplattformen wie Discogs werden sie gehandelt wie anderswo alte Briefmarken oder Überraschungsei-Figuren. »Eine James-Brown-Coverversion von Fadaul, die ich für 1,50 Euro erstanden habe, ohne zu wissen, was es ist, wurde schon mal für 450 Euro verkauft«, erzählt Jannis.

Er will mit Musik aber nicht nur Gewinn machen, sondern mehr Menschen für die Klänge begeistern. Er digitalisiert alte Platten und mischt sie zu Mixen zusammen. Vor einem halben Jahr lud er den »Habibi Funk 002 Mix« auf Soundcloud hoch, die Essenz von 25 Platten aus fünf Ländern und einem Jahr Arbeit. Über 130 000 Menschen haben den funkigen Mix gehört, der »Guardian« berichtete, Tausende teilten ihn in sozialen Netzwerken. Jemand schrieb auf Soundcloud: »Du entdeckst echte Juwelen.«
Auf dem Markt gibt es eigentlich alles, Affen, Tische, Bananen, Teekannen und Schildkröten, aber kein Vinyl.
»Disque Vinyl grande?«, fragt Jannis auf dem größten Markt in Agadir den jungen Mann in Jogginghosen hinter dem Honigstand. Dieser zuckt mit den Schultern. Ein alter Mann im Anzug, der Möbel verkauft, schüttelt ebenfalls den Kopf. Auf dem Markt gibt es eigentlich alles, Affen, Tische, Bananen, Teekannen und Schildkröten, aber kein Vinyl. Zufällig trifft Jannis dann auf den Musikhändler George, etwa siebzig Jahre alt, gebügeltes Hemd und Anzughose. George fragt: »You want disque Modern Talking?«, und winkt ihn in seinen Laden. Jannis lacht, jetzt ist er es, der den Kopf schüttelt. Georges Laden ist ein wilder Poptempel: Eine Vicky-Leandros-Platte liegt neben einer CD von Adele, ein Poster mit Werbung für Kassetten »Made in JAPAN« hängt an der Wand. Die Platten in der Auslage, von der ägyptischen Chansonsängerin Umm Kulthum oder dem Sänger Mohamed Abdel Wahab, interessieren Jannis nicht, weil deren Songs bis heute im Radio laufen. Jannis inspiziert lieber Georges Rumpelkammer. Stundenlang blättert er durch den Plattenhaufen, sortiert aus, bildet kleine Stapel, die er immer wieder umschichtet. »Interessant wird es besonders dann, wenn auf dem Cover sowohl arabische als auch lateinische Schriftzeichen zu sehen sind und die Leute darauf aussehen wie Hippies«, erklärt er. Das ist ein Zeichen dafür, dass die Band westliche und arabische Einflüsse verbunden hat Fusion-Musik, bevor es das Wort gab.

Am Ende hat Jannis zwanzig Platten herausgefiltert und kauft sie für umgerechnet 300 Euro. George verpackt die Platten in Zeitungspapier und lacht: »Du hast Gold gekauft.« Jannis sagt nichts, er hat mit George gar nicht gefeilscht, denn er weiß, dass einige Platten mehrere Hundert Euro wert sind. Als er den Laden verlässt, knipst Jannis ein Foto von George und lädt es bei Instagram hoch. 80 Leuten gefällt das.

Die Poparchäologen haben es nicht so schwer wie Indiana Jones, sie müssen nicht vor riesigen Felskugeln und giftigen Pfeilen davonlaufen, aber sie brauchen Hartnäckigkeit und Leidenschaft und manchmal auch ein bisschen Glück. Als Jannis vor einigen Monaten den Song »Sid Redad« von Fadaul et les Privilèges auf Soundcloud ins Netz stellte, begann seine Recherche: Der Drummer einer anderen marokkanischen Band gab ihm den Kontakt zu einem guten Freund von Fadaul. Der Mann wiederum konnte sich an den Namen der Straße in Casablanca erinnern, in der Fadaul mit seiner Familie in den 70er Jahren gewohnt hatte. Fadaul ist leider vor langer Zeit verstorben, aber wenn Jannis seine Erben findet, kann er mit ihnen einen Vertrag abschließen und die alten Songs neu veröffentlichen. Ähnlich war er schon bei der tunesischen Band Dalton vorgegangen mit Erfolg.

Sieben Stunden fährt Jannis mit dem Auto von Agadir nach Casablanca, vorbei an Bergen, der Wüste und endlosem blauen Himmel. In der Stadt setzt er sich in ein Taxi, zeigt dem Fahrer die Adresse von Fadauls Bruder. Nach dreißig Minuten springt der Taxifahrer aus dem Auto und fragt einen älteren Mann mit Krücke am Straßenrand: »Kennst du Fadaul?« Der Mann nickt aufgeregt. Jannis grinst und zeigt dem Mann eine alte Schallplatte von Fadaul. Der Mann wippt mit dem Kopf und singt laut den Fadaul-Hit »Sid Redad«, in dem es um Drogen und Freiheit geht. Nach über 45 Jahren erinnert er sich sofort an den Musiker. »Im Haus Nummer 40 wohnt sein Bruder«, sagt er.

Endlich ist Jannis angekommen, an einem großen, schweren, schwarzen Tor. Er klingelt. Die 18-jährige Doha öffnet die Tür und ist ziemlich überrascht über den Fremden aus Deutschland. Jannis fragt, ob ihr Vater zu Hause sei. »Der ist gerade in der Moschee«, antwortet sie auf Englisch. Wieder holt Jannis die Platte hervor: »Hier, schau, das ist dein Onkel. Er war ein bekannter Musiker.« Doha reißt die Augen auf und kann das kaum fassen. »Wahnsinn, davon wusste ich überhaupt nichts«, sagt sie. Als sie geboren wurde, war ihr Onkel bereits sieben Jahre tot. In der Familie spricht niemand über den Außenseiter, aber Tausende Menschen hören seine Songs im Netz.
Vier Telefonate und unzählige Whatsapp-Nachrichten später willigt Fadauls Schwester Jamila ein, Jannis zu treffen. Sie trägt ein dunkelblaues langes Kleid, Kopftuch, silberne Armbänder und Ringe. Sie ist zunächst distanziert. Dann zieht Jannis sein Smartphone aus der Tasche und spielt ihr »Sid Redad« vor. Jamila lacht, nimmt das Gerät in die Hände, singt mit, wippt mit den Füßen. Dann aber weint sie. »Das letzte Mal habe ich diesen Song vor fünfzig Jahren gehört. In einem Plattenladen. Ich war so stolz!«, erzählt sie.

In diesem Moment wird Jannis zum Geschäftsmann. Denn musikalische Fundstücke wie Fadaul, die einen besonderen Sound und eine gute Geschichte verbinden, sind gerade gefragt. Der amerikanische Singer-Songwriter Rodriguez etwa hatte in den 70er Jahren wenig Erfolg in seiner Heimat, in Südafrika aber wurde er ohne sein Wissen zur Legende. Über diese Geschichte drehte der Filmemacher Malik Bendjelloul die Doku »Searching for Sugar Man«, die einen Oskar gewann und Rodriguez zu spätem Ruhm und Reichtum verhalf. Auch Jannis hofft auf einen Comebackhit und erklärt der melancholischen Jamila deshalb sehr seriös und trocken, wie ein Label deal genau funktioniert, dass er das Einverständnis der Familie für die erneute Veröffentlichung benötigt, dass er Fotos von Fadaul für das Booklet haben möchte und ja, gern auch noch weitere Songs. Den Gewinn würde er natürlich mit der Familie teilen.

Jannis ist kein Romantiker. Er will die Rechte an der Platte, sofort. Doch Jamila erzählt erst einmal von ihrem Bruder: Fadaul zog mit siebzehn Jahren nach Paris, weil er dort eine Theaterschule besuchen wollte. »In dieser Zeit hat er auch die Musik für sich entdeckt«, sagt Jamila. Nach ein paar Jahren kehrte er nach Afrika zurück. Wenn die Familie beim Tee saß, trommelte er Melodien auf Gläsern oder reimte Songs aus wilden Wortfetzen. »Er war ein Hippie!«, sagt Jamila. Fadaul gehörte zur Boheme Casablancas, spielte bei Ausstellungseröffnungen bekannter Künstler und gab Konzerte. Jamila erzählt aber auch, dass ihr Bruder es nicht immer leicht gehabt habe im Marokko der 70er Jahre, das zwischen Tradition und Moderne, Afrika und Europa schwankte. Von seiner Musik konnte er jedenfalls nicht leben, arbeitete nebenbei als Maler. Als er älter wurde, hörte Fadaul auf, Musik zu machen. Jamila erinnert sich noch, wie am 12. September 1991 das Telefon klingelte und sie während eines Campingurlaubs erfuhr, dass ihr Bruder mit nur fünfzig Jahren gestorben war. Kurz bevor Jannis sich verabschiedet, willigt sie in den Deal ein. Per E-Mail wird er ihr einen Vertrag schicken.
Gam konserviert mit seiner Plattensammlung seine Jugend, die Zeit, als er mit Bands nächtelang im Studio saß.
Musik sind die alten Plattenhändler von Casablanca. Gam zum Beispiel, heute über siebzig Jahre alt, war der Erste, der in der Stadt einen Plattenladen eröffnete. Jannis ist natürlich einer seiner Stammkunden. Die Platten liegen geschützt in Glasvitrinen, an den Wänden hängen Gemälde von Soullegenden. Es sieht aus wie im Museum. Gam erzählt, wie die Amerikaner nach dem Zweiten Weltkrieg militärische Stützpunkte in Marokko bauten und die amerikanische Kultur mitbrachten. Gam war fasziniert von den Filmen mit Marlon Brando und von der Musik. Und so ging es vielen Menschen in Marokko. »Inzwischen kommen nur noch Ausländer in meinen Laden«, sagt Gam. Jannis hat durch Treue und viele Besuche das Wohlwollen des Händlers erlangt, der Touristen eigentlich kritisch gegenübersteht. Er hat Angst, dass das kulturelle Erbe seines Landes verloren geht. Manche vergleichen die Digger gar mit den gierigen Archäologen, die im 19. Jahrhundert die Schatzkammern Ägyptens plünderten und die Relikte nach Europa schafften.

Gam konserviert mit seiner Plattensammlung seine Jugend, die Zeit, als er mit Bands nächtelang im Studio saß. Diese Erinnerungen will er sich nicht von ein paar Hipstern abkaufen lassen. Er schaltet ein altes Tonbandgerät aus den 60er Jahren ein, Soulmusik ertönt, Gam schwingt seine Arme im Takt. In seinem Plattenladen ist er zu Hause, hier sind die 70er Jahre für ihn jeden Tag lebendig, und so soll es bleiben, bis er stirbt.

Am letzten Abend hat Jannis in einem Café seinen tragbaren Plattenspieler ausgepackt und eine LP der Band Ousmane aufgelegt. Er hat über hundert Platten gefunden neue Aufnahmen von Fadaul. »Der Trip war ganz gut«, sagt er bescheiden und hat neue Ziele im Blick. Auf seinem Smartphone beobachtet Jannis eine Platte aus dem Sudan. Die Auktion wird auslaufen, wenn er zurück in Berlin ist. Im Herbst soll die Fadaul-Platte erscheinen, danach will er mal im Sudan diggen. Vielleicht findet sich dort ja der nächste Star für ein Comeback.

Erschienen im Magazin NEON